delikt – Wahre Verbrechen aus Österreichs Süden

„Ich habe den Chef erschossen“

Episode Summary

Februar 2023: Ein 46-jähriger Polizist geht in das Büro des Postenkommandanten der Polizeiinspektion Trieben und erschießt seinen Vorgesetzten. Danach wäscht er sich die Hände und bittet einen Kollegen mit den Worten: „Ich habe den Chef erschossen“, ihm Handschellen anzulegen. Mit Iris Hödl (Lokalredaktion Liezen) und David Knes.

Episode Notes

Februar 2023: Ein 46-jähriger Polizist geht in das Büro des Postenkommandanten der Polizeiinspektion Trieben und erschießt seinen Vorgesetzten. Danach wäscht er sich die Hände und bittet einen Kollegen mit den Worten: „Ich habe den Chef erschossen“, ihm Handschellen anzulegen. Mit Iris Hödl (Lokalredaktion Liezen) und David Knes.

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Ankündigung: Am 23. Oktober ist der Satire-Podcast der Kleinen Zeitung, „Maurer & Cik“, live in den Kammerlichtspielen Klagenfurt zu sehen und zu hören. Mehr Infos.

Episode Transcription

00:00:01    David Knes

Februar 2023. Ein 46-jähriger Polizist geht in das Büro des Polizeikommandanten in der Inspektion Trieben und erschießt seinen Vorgesetzten. Er wäscht sich die Hände und bittet danach einen Kollegen, ihm Handschellen anzulegen. Herzlich willkommen bei Delikt, dem Kriminalpodcast der kleinen Zeitung mit Fällen aus der Steiermark und aus Kärnten. Mein Name ist David Gnes, ich bin der Host des Podcasts und bin hier heute in unserem Studio im Newsroom am Grazer Gardollerplatz und darf meine Kollegin aus der Lokalredaktion Lietzen begrüßen. Hallo Iris Höthl, grüß dich.

 

00:00:52    Iris Hödl

Hallo, freut mich sehr.

 

00:00:54    David Knes

Wie war die Zugfahrt?

 

00:00:56    Iris Hödl

Angenehm, mit bisschen Verspätung.

 

00:00:58    David Knes

Okay, schön, dass du sie jedenfalls auf dich genommen hast, um heute hier von einem neuen Fall zu erzählen. Du bist seit mittlerweile vier Jahren im Team der Kleine Zeitung in Lietzen dabei und deckst da eine ganze Palette an Themen ab. Wir haben schon vorher kurz darüber geredet, das reicht vom kuriosen Parkplatzstreit über die Brennpunkte der regionalen Sozial- und Gesundheitspolitik bis hin zur Kriminalberichterstattung. Und in dieser Funktion kennen dich treue Delikteurinnen und Delikteure schon aus der Folge mit dem Titel Das Inferno, die letztes Jahr im Dezember erschienen ist. Da ging es um Brandstiftung in einem Geschäftslokal in Lietz im Jahr 2024. Und der Fall, den du heute mitgebracht hast, der ereignete sich schon ein Jahr zuvor, nämlich im Jahr 2023. Das war... Am Montag, dem 27. Februar. Was ist damals passiert auf dieser Polizeiinspektion Trieben? Es hat ja begonnen wie ein ganz normaler Alltag auf dieser Polizeiinspektion.

 

00:01:58    Iris Hödl

Genau, also der Tag hat eigentlich begonnen wie jeder andere. Die Bediensteten sind in der Früh zur Polizeiinspektion gekommen, unter anderem auch der Postenkommandant. Das war ein 59-Jähriger, der erst ein paar Monate davor Postenkommandant geworden ist. und ein 46-jähriger Polizist, der auch schon einige Jahre als Polizist tätig war dort. Dann hat der Postenkommandant, der 59-Jährige, seinen jüngeren Kollegen zu sich ins Büro gebeten. Da ist es um zwei Sachen gegangen. Erstens um einen Arbeitsunfall, der zwar aufgenommen, aber nicht protokolliert worden ist. Und da hat der Kommandant zu ihm gesagt, er muss das weiterleiten und die Konsequenz wäre eine Anzeige. Und zweitens ist es noch um einen Krankenstand gegangen, wo die Krankenstandsbestätigung gefehlt hat und wo ihn der Kommandant da aufgefordert hat, diese bitte nachzureichen. Der Polizist hat dann das Büro verlassen, hat seine Waffe geholt, wollte eigentlich zur Ärztin gehen, um diese Krankenstandsbestätigung zu holen und hat es sich dann aber anders überlegt und ist nochmal ins Büro gegangen und hat den Kommandanten gefragt, ob man da nicht irgendwas machen kann.

 

00:03:15    David Knes

Wegen der Anzeige?

 

00:03:16    Iris Hödl

Genau wegen der Anzeige hauptsächlich, aber auch wegen der Krankenstandsbestätigung. Da ist ihm der Kommandant entgegengekommen, aber an der Anzeige hat er festgehalten. Und dann ist die Lage ziemlich eskaliert. Der jüngere Polizist hat sich erst die Waffe selbst in die Schläfe gehalten und wollte sich erschießen, hat es sich dann aber anders überlegt. und hat seinen Chef erschossen. Er hat dann auch im Nachhinein gesagt, er weiß gar nicht, was passiert ist, er kann sich selber nicht erklären, er hat ihn einfach erschossen mit vier Schüssen, beziehungsweise ein Schuss ist daneben gegangen.

 

00:03:49    David Knes

Ja, ich glaube, zwei Schüsse trafen ihn im Bauchraum und einer, der dritte dann, und wahrscheinlich auch der tödliche Schuss im Kopf.

 

00:03:58    Iris Hödl

Genau, also ein Schuss ist in den Bauch gegangen, einer in den Kiefer und der letzte Schuss in den Kopf war dann der tödliche Schuss.

 

00:04:06    David Knes

Wie ging es danach weiter? Er ist ja total ruhig geblieben eigentlich, was auch für so eine Wahnsinnstat ungewöhnlich ist. Ihr habt geschrieben damals, dass er sich danach die Hände gewaschen hat und verhaften lassen hat. Wie waren die Momente nach der Tat?

 

00:04:24    Iris Hödl

Genau, er hat sich offenbar die Hände gewaschen, den Pullover ausgezogen und ist dann in einen anderen Raum gegangen, wo ein Kollege gerade war. Der hat die Schüsse natürlich gehört, hat sich hinter der Tür versteckt, wollte ihn dann überwältigend überraschen, weil er selber keine Waffe da gehabt hat. Hat dann aber sofort gesehen, okay, der Kollege ist unbewaffnet.

 

00:04:45    David Knes

Also der hat seine Waffe dann am unmittelbaren Tatort liegen lassen.

 

00:04:48    Iris Hödl

Genau. Und der Täter hat dann zu ihm gesagt, du brauchst keine Angst haben, es ist alles vorbei, bitte legen wir die Handschellen an, ich habe den Chef erschossen. Das hat er dann auch gemacht und der Kollege, der den Täter eben festgenommen hat, hat dann im Nachhinein erzählt, er Hat sehr ruhig gewirkt, eigentlich keine wirklichen Gemütsregungen gehabt. Wollte dann nur mit seiner Mutter telefonieren und hat beim Anruf auch gesagt, hi, aus unserem Haus wird nichts. Und die Mutter hat dann gesagt, wieso, warum wird aus dem Haus nichts, die waren gerade dabei Haus zu bauen. Hat dann gesagt, ja, ich habe den Chef erschossen.

 

00:05:27    David Knes

Ja, heftige Szenen, also wirklich unglaubliche Momente da auf dieser Polizeiinspektion. Eine andere Kollegin hatte inzwischen dann Verstärkung angefordert. Die hat das natürlich auch mitbekommen, diese Polizisten. Wie ging es dann weiter? Da sind dann wahrscheinlich sehr, sehr viele Beamte eingetroffen, um diese Situation dann zu klären.

 

00:05:50    Iris Hödl

Genau, also eine andere Polizistin, die war eben auch unbewaffnet in der Inspektion zu dem Zeitpunkt, die ist geflüchtet und hat sofort Verstärkung angefordert. Die ist dann auch gekommen, es hat dann einen großen Einsatz vor Ort gegeben, wobei die Lage dann nicht weiter eskaliert ist, weil sich der Täter eben direkt festnehmen lassen hat. Wenn der zum Beispiel geflüchtet wäre, da habe ich damals mit dem damaligen Bürgermeister geredet, der selbst bei der Autobahnpolizei ist, hat er gesagt, es wäre unvorstellbar gewesen, wenn dann die Kollegen ihren Kollegen hätten irgendwie am Ende auch irgendwie fangen, erschießen, sonst was hätten müssen, wenn die noch auf die Jagd nach ihm gehen hätten müssen, aber er hat sich ja direkt festnehmen lassen, deswegen ist die Lage dann danach nicht mehr weiter eskaliert.

 

00:06:34    David Knes

Ja. Was weiß man denn über das Opfer, den 59-jährigen Postenkommandanten?

 

00:06:41    Iris Hödl

Das ist ein Lassinger. Es ist 20, 30 Minuten von Trieben entfernt. Der hat drei Töchter. Die jüngste war zu dem Zeitpunkt, glaube ich, 16, 17 Jahre alt. Und die waren zum Teil, wenn nicht sogar alle drei, selber auf dem Weg in den Polizeiberuf. Der Kommandant war sehr beliebt, war als sehr bodenständig, sehr ruhig bekannt und als gute Führungskraft.

 

00:07:08    David Knes

Der Täter wurde dann verhaftet. Er hat sich, wir haben schon gesagt, unmittelbar danach widerstandslos festnehmen lassen. Und er ist dann überstellt worden nach Leoben. Wie ging es dann weiter?

 

00:07:22    Iris Hödl

Also dann haben die Ermittlungen begonnen. Der Täter selbst hat aber keine Angaben gemacht zu den Motiven der Tat. Dementsprechend haben sie sehr viele verschiedene Gutachten machen müssen. Also die Staatsanwaltschaft hat dann gesagt, sie haben jeden Blutstropfen, jeden Gegenstand, jede Spur akribisch überprüft, weil er selber eben nichts dazu gesagt hat. Aber sie haben... den Vorfall dann trotzdem gut nachstellen können. Bei der Verhandlung selber hat er dann Angaben gemacht, zum Beispiel, dass er sich anfangs selbst erschießen wollte, das war vorher überhaupt nicht bekannt. Aber rein zum Tathergang, das hat man genau nachkonstruieren können über verschiedenste Gutachten.

 

00:08:03    David Knes

Aber dass er der Schütze war, das war von Anfang an außer Streit?

 

00:08:08    Iris Hödl

Genau, das war von Anfang an klar.

 

00:08:11    David Knes

Und auch die Zurechnungsfähigkeit, du hast schon gesagt, die wurde untersucht. Wie ist das hier weitergegangen? Die ist doch bestätigt worden.

 

00:08:21    Iris Hödl

Genau. Es hat ein psychiatrisches Gutachten gegeben und da ist festgestellt worden, dass er komplett zurechnungsfähig war.

 

00:08:29    David Knes

Und auch die Möglichkeiten von einer Affekthandlung oder einer Notwehrsituation konnten ausgeschlossen werden?

 

00:08:37    Iris Hödl

Genau, die waren absolut nicht gegeben.

 

00:08:39    David Knes

Die Tatwaffe wurde dann noch analysiert, habt ihr geschrieben, und da wurde auch noch irgendwie festgestellt, aus welcher Distanz geschossen wurde.

 

00:08:48    Iris Hödl

Genau, er hat aus einer Distanz von 1,4 Meter auf den Fahrgesetzten geschossen.

 

00:08:53    David Knes

Ja, ich glaube, mich erinnern zu können, gelesen zu haben, dass er noch versucht hat, sich eben nach den ersten Schüssen hinter einem oder unter einem Tisch zu verschanzen, aber das ist ihm nicht mehr gelungen.

 

00:09:06    Iris Hödl

Laut Gutachten von den Spuren her haben sie den Tatverlauf so nachgestellt, dass der Kommandant erst versucht hat, Richtung Tür zu flüchten. Nach dem ersten Schuss, wo er schon zu Boden gegangen war, wollte er nur Richtung Tür irgendwie sich retten, hat dann aber gemerkt, das geht nicht, ist wieder zurückgeraubt, wollte sich dann unterm Schreibtisch verstecken und dann war eh der dritte Schuss schon tödlich für ihn.

 

00:09:30    David Knes

Da gab es dann ein Videostatement, wo der steirische Landespolizeidirektor, ich glaube Gerhard Ortner, in einem Videostatement gesagt hat, dass die Einsatzkräfte wirklich quasi sofort dann am Tatort waren, aber da war jede Hilfe zu spät.

 

00:09:46    Iris Hödl

Genau, er ist noch direkt am Ort verstorben, da war es eh schon zu spät.

 

00:09:51    David Knes

Der Beschuldigte hat gegolten, das hat unser Kollege Hans Breitegger auch in einem Artikel darüber geschrieben, dass der schwierig gegolten hätte und im Kollegenkreis, dass es da immer wieder Probleme gegeben hat. Was weißt du darüber?

 

00:10:06    Iris Hödl

Die Meinungen über ihn sind sehr auseinandergegangen. Viele haben gesagt, es war nichts Schwerwiegendes oder so. Sie haben trotzdem gerne mit ihm Dienst gemacht, obwohl es natürlich, wie es halt so ist, in der Arbeit immer wieder mal Reibungen gibt. Es hat aber schon den Tenor gegeben, er war nicht ganz einfach, er war... Eher unzuverlässig, hat sich eben, weil die Stimmung in der Inspektion ein bisschen angespannt war, immer wieder in Krankenstände geflüchtet, war dann nicht erreichbar. Man hat nicht gewusst, wann kommt er wieder zurück. Er hat einfach nicht alles so zuverlässig gegolten und hat das selber angegeben bei der Verhandlung, dass die Stimmung in der Inspektion einfach ein bisschen angespannt war.

 

00:10:51    David Knes

Ja, aber es gab keine entsprechenden disziplinären Vermerkungen und auch keine Hinweise darauf, dass er jetzt dienstuntauglich wäre, geschweige denn eine Gefahr für Kolleginnen und Kollegen oder die Bevölkerung.

 

00:11:06    Iris Hödl

Nein, sowas hat es gar nicht gegeben. In der Menschenkammer, das war dann danach auch immer, einfach nicht reinschauen, dass sowas passiert, damit hätte niemand gerechnet.

 

00:11:16    David Knes

Diese Diskussionen, die du jetzt angesprochen hast, da geht es um die Möglichkeit laufender psychologischer Evaluierungen von Beamten.

 

00:11:26    Iris Hödl

Genau. Das hat natürlich die Diskussion ein bisschen entflammt, warum dann Polizisten nur am Anfang beim Aufnahmeverfahren psychologisch überprüft werden und nicht laufen während ihres Dienstes. Es gibt Supervisionen, aber keine rechtliche Grundlage, um die Laufenden zu überprüfen. Deswegen sind eigentlich Vorgesetzte und auch Kollegen angehalten, das zu melden, wenn ihnen was auffällt und einfach angehalten, achtsam zu sein. Und wenn was wäre, dann wird der Polizeiarzt das überprüfen. Das war jetzt aber bei dem 46-Jährigen jetzt nicht der Fall.

 

00:11:58    David Knes

Du hast jetzt schon kurz angesprochen und am Anfang haben wir auch schon kurz darüber geredet, diese Konflikte unmittelbar an diesem Tag, da ging es um einen bestimmten Krankenstand. Du hast vorher schon gesagt, er hat sich immer wieder in Krankenstände geflüchtet, weil es da Spannungen gegeben hat in irgendeiner Art und Weise und er diesen offensichtlich so irgendwie aus dem Weg gehen wollte. In diesem konkreten Fall war das aber nicht so, da war er dann wirklich krank, wo es in diesen einen Punkt in Streit gegangen ist.

 

00:12:29    Iris Hödl

Genau, das hat er zumindest angegeben, er war an einem Tag vor der Tat noch im Krankenstand und war offenbar wirklich krank.

 

00:12:36    David Knes

Das andere disziplinarische Problem, nenne ich es jetzt einmal, das war diese ihm drohende Anzeige wegen einem nicht protokollierten Arbeitsunfall. Kannst du dazu noch etwas sagen? Weiß man dazu mehr?

 

00:12:49    Iris Hödl

Ja, also er hat diesen Arbeitsunfall zwar aufgenommen, aber nicht protokolliert und dementsprechend ist da halt auch ein Verfahren wegen Amtsmissbrauch gegen ihn im Raum gestanden. Es war aber nichts, was jetzt nicht unlösbar gewesen wäre. Das ist auch beim Prozess immer wieder besprochen worden.

 

00:13:05    David Knes

Bevor wir jetzt zum Prozess kommen, bei dem du ja auch gewesen bist im Februar 2024, lass uns noch kurz darüber sprechen, was diese Tat mit dem Ort gemacht hat. Trieben ist kein großer Ort, das ist ein obersteirischer Ort mit einer Stadtgemeinde mit dreieinhalb tausend Einwohnern circa, wo gefühlt jeder jeden kennt. Was weißt du noch von deinem Lokalaugenschein damals?

 

00:13:34    Iris Hödl

Ja, also die Aufregung im Ort war auf jeden Fall sehr, sehr groß. Die Polizeiinspektion Trieben ist ja im Ortszentrum, sage ich mal, also da ist direkt daneben zum Beispiel ein Kindergarten. Ich habe dann auch mit einer Triebenerin geredet, die... an jenem Morgen ihr Kind in den Kindergarten gebracht hat und dann plötzlich war halt Blaulicht, alles abgesperrt. Sie hat sich gedacht, Banküberfall, weil die Bank ist auch direkt da, hat aber nicht gedacht, dass direkt nebenan da gerade geschossen worden ist, wo die Kinder spielen. Also das hat schon große Betroffenheit ausgelöst im Ort. Es gibt da einige unmittelbare Nachbarn, die da direkt... das mitgekriegt haben und dann total im Schock waren. Und andererseits Lassing, wo der Kommandant her war. Das ist ja eine noch kleinere Gemeinde und da war die Betroffenheit riesengroß. Also da waren wirklich alle in Schockstarre und niemand hat das verstehen können. Jeder hat den Kommandanten gekannt. Der Bürgermeister hat auch gesagt, wenn man an dem sein Haus vorbeifährt, man muss da immer dran denken, das ist echt so eine Narbe, die geblieben ist in den Orten.

 

00:14:42    David Knes

Ja, das ist eines dieser Dinge, die man irgendwo in den Nachrichten vielleicht hört oder die irgendwo im Ausland passieren, wo man sich dann aber nie denkt, wenn man in so einem Ort ist, hier könnte auch sowas sein. Eben. Ja, kommen wir zum Prozess. Du warst dort, das war im Februar 2024 im Landesgericht Leoben. Wie war der angeklagte Polizist dann auf der Anklagebank oder wie war da auch die Stimmung im Gerichtssaal? Das war ja auch ein Medienspektakel, das muss man dazu sagen.

 

00:15:13    Iris Hödl

Ja, es hat einen riesen Andrang gegeben. Es waren viele Medienvertreter, es waren aber auch Privatpersonen einige da. Es waren natürlich zum Beispiel auch die Kinder vom Kommandanten da. Das war auch bewegend, die da zu sehen. Der Prozess war irgendwie, das ist komisch, sich sowas anzuschauen, weil man weiß, da sitzt jemand, der... einen Menschen, einen Familienvater umgebracht hat und sitzt da und er hat sehr bedrückt, sehr klein und arm irgendwie gewirkt. Also er ist da gesessen, sehr eingekrümmt, hat Sehr wenig gesagt. Er hat zwar gesagt, er macht Aussagen bei dem Prozess, hat er auch gemacht, aber hat immer sehr lange Pausen zwischendurch gemacht, hat sehr leise gesprochen, hat zwischendurch auch geweint. Es war total absurd, sich sowas anzuschauen irgendwie. Aber war auch sehr interessant, weil einige neue Sachen eben noch aufgekommen sind bei diesem Prozess.

 

00:16:09    David Knes

Ja, was war das noch zum Beispiel? Also wir haben schon vorher erwähnt, du hast gesagt, das hat man zu Beginn nicht gewusst, dass er den Gedanken zuerst hatte, sich selbst vor seinem Chef zu richten.

 

00:16:20    Iris Hödl

Das war eine der Sachen. Dann sind auch Sachen aufgekommen über seine Kindheit zum Beispiel. Er selber hat zwar gesagt, seine Kindheit war normal und schön, sein Verteidiger hat aber gesagt, dass seine Kindheit schon durchaus von Gewalt geprägt war. Da hat es auch eine Aussage von einem Bruder gegeben, der eine Geschichte erzählt hat, wo er, also die beiden Jungs damals und die Mutter bedroht worden sind vom Vater. Und die beiden Brüder sind dann weggerannt und der Vater hat ihnen noch hinterher geschossen. Also es war schon eine Kindheit, wo Gewalt und Waffen auch eine Rolle gespielt haben. Was auch aufgekommen ist in dem Prozess, ist, dass er Cannabiskonsument war, schon seit mehreren Jahren, als Schmerztherapie, weil er eine Bandscheibenoperation gehabt hat.

 

00:17:06    David Knes

Ist das dann irgendwie in Verbindung gestanden mit der Tat?

 

00:17:10    Iris Hödl

Man kann jetzt nicht sagen, ob es in unmittelbarer Verbindung gestanden ist, aber es war etwas, was schon eine Rolle gespielt hat, dass das auch erst so spät bekannt worden ist, dass er da nicht direkt Angaben dazu gemacht hat und dass er ja auch Polizist ist und eigentlich mit solchen Suchtmitteln besonders verantwortungsvoll umgehen sollte in einer Vorbildsrolle.

 

00:17:28    David Knes

Die psychische Belastung, die der Verteidiger ins Spiel gebracht hat, inwieweit ist die dann berücksichtigt worden oder inwieweit ist das Gericht auf das eingegangen?

 

00:17:39    Iris Hödl

Naja, nachdem das klar festgestellt worden ist, dass er zurechnungsfähig war, hat es dann nicht mehr so eine große Rolle gespielt. Diese Tat hat sich ja, das waren ja vier Schüsse, das hat sich ja über mehrere Sekunden oder Minuten, ich weiß es nicht mehr genau, gezogen. Das war eine Tat, die man jederzeit hätte abbrechen können und er hat es aber durchgezogen. Und dementsprechend war das dann, ist es als bewusste und kaltblütige Tat beim Prozess dargestellt worden.

 

00:18:10    David Knes

Ja, genau so hat das die Anklagebehörde, die Staatsanwaltschaft formuliert oder so ähnlich. Wie war dann das Urteil? Ich nehme an, es wird dann nicht viele Milderungsgründe gegeben haben.

 

00:18:23    Iris Hödl

Ja, Milderungsgrund war, dass er halt eben dann ein paar Angaben noch gemacht hat, wobei es war jetzt kein großer Milderungsgrund.

 

00:18:31    David Knes

Dass er geständig war von Anfang an.

 

00:18:33    Iris Hödl

Genau, und dass er dann auch noch ein paar Sachen zu den Motiven unter Anführungszeichen gesagt hat beim Prozess selbst, aber nachdem er nicht wahnsinnig gesprächig war, war das jetzt kein großer Milderungsgrund. Das Urteil war dann erstmal 20 Jahre, wobei die Staatsanwaltschaft einerseits Berufung eingelegt hat und gesagt hat, lebenslang wäre angemessen. Und der Täter selbst hat auch Berufung eingelegt, er wollte eine mildere Strafe. In zweiter Instanz beim Oberlandesgericht Graz ist er dann so lebenslang verurteilt worden.

 

00:19:03    David Knes

Hast du das Gefühl gehabt, dass er die Tat ehrlich bereut hat? Weil das ist ja auch immer wieder, wird als Milderungsgrund herangezogen, eben diese glaubhafte Reue, oder?

 

00:19:15    Iris Hödl

Es war für mich schwer zu beurteilen, weil er eben sehr ungesprächig war. Er hat in seinem Schlussplädoyer gesagt, dass es ihm leid tut, dass er das nicht wieder gut machen kann, dass er jemanden getötet hat und dadurch auch viele andere Menschen verletzt hat. Er hat nicht wahnsinnig emotionsvoll gewirkt. Wobei schon auch von seinem Verteidiger gesagt worden ist, dass nur weil man vielleicht nicht so viel redet, dass das nicht heißt, dass die Emotionen nicht trotzdem vorhanden sind. Und er hat zwischendurch auch geweint. Dementsprechend hat er schon reuevoll gewirkt, aber es war schwer einzuschätzen bei ihm.

 

00:19:57    David Knes

Also lebenslang lautet dann das Urteil, jetzt möchte ich noch auf etwas zu sprechen kommen, zur Trauerfeier, wo dann wirklich die Solidarität und der Beistand der Kolleginnen und Kollegen enorm war in diesem Fall. Kannst du dazu noch etwas sagen?

 

00:20:12    Iris Hödl

Ja, die Trauerfeier war sehr, sehr bewegend. Es waren über 100 Polizeikräfte dort. Es hat wirklich ausgeschaut wie so ein Meer aus Uniformen vor dieser kleinen Kirche in Lassing. Das ist ja wirklich so eine kleine Kirche, ein kleiner Friedhof. Und es war komplett überschwemmt mit Trauergästen. Es war aber auch sehr schön, diese große Anteilnahme zu sehen. Es war auch der Innenminister Gerhard Kahner war da, der Gerald Ortner, Landespolizeidirektor und auch der damalige Landeshauptmann, der Christopher Drexler. Sie haben ihm alle nur die letzte Ehre erwiesen und auch die Polizeimusik hat dort gespielt und die Kirche war so voll, dass gar nicht mehr alle Leute reinpasst haben. Sie haben dann über Lautsprecher das nach draußen noch übertragen. Mhm.

 

00:20:58    David Knes

Im Anschluss von solchen Fällen gibt es dann irgendwie oft das Bedürfnis, noch irgendwie weiter darüber zu reden. Und wir haben uns kurz überlegt, was könnten wir darüber machen. Aber ich finde, du hast das vorher schon sehr gut erwähnt. Bei solchen Taten ist es oft einfach so, dass man in einen Menschen nicht hineinschauen kann. Und weder der Polizeikommandant, also das Opfer, noch wahrscheinlich irgendjemand von seinen Kolleginnen oder Kollegen konnte damit rechnen, dass... er an diesem Tag diese Tat begeht.

 

00:21:31    Iris Hödl

Genau, also damit hat wirklich niemand gerechnet, egal mit wem ich geredet habe, es waren alle total schockiert, auch Leute, die ihn wirklich schon länger gekannt haben, die auch gewusst haben, was seine Vergangenheit ist und gesagt haben, der war schwierig, vielleicht in manchen Situationen, aber dass sowas passiert, davon geht man einfach niemals aus.

 

00:21:56    David Knes

Ich danke Iris Hödel, dass du uns diesen Fall mitgebracht hast und heute aus der Obersteier markiert zu uns nach Graz in den Newsroom gekommen bist. Ich habe jetzt noch eine kleine Ankündigung, weil ich weiß, dass viele Delikthörerinnen und Hörer auch gern den Podcast meines Kollegen Thomas Tschick hören, nämlich Maurer und Tschick, den er gemeinsam mit dem Kabarettisten Thomas Maurer macht. Das ist so ein satirischer Nachrichten-Podcast, auch von der kleinen Zeitung. Große Empfehlung. Die machen jedenfalls eine Live-Show. Das findet statt am 23. Oktober in Klagenfurt in den Kammerlichtspielen. Den Link mit den Infos werde ich dann auch in die Shownotes packen. Ansonsten sage ich vielen Dank fürs Dabeisein bei Delikt. Wie immer der Hinweis, ihr könnt gerne Kontakt mit uns aufnehmen oder mit mir direkt an david.knees.at. Falls ihr gerade das Handy in der Hand habt, freue ich mich, wenn ihr diesen Podcast gut bewertet oder eine Rezension schreibt auf der Podcast-App eures Vertrauens. Und ansonsten sage ich bis zum nächsten Mal. Danke.